Forced Feral im Taubenheim, Open Space Domshof

18. Juli 2021 - Ingo Vetter

Forced Feral / Erzwungene Verwilderung 

Nicht ohne meine Kaffeeschuhe! Und nur mit Muschelschalen voller Marmelade waren die Reaktionen der Studierenden der Klasse Kayle Brandon/Ruth Rubers/Ingo Vetter/Olav Westphalen von der Hochschule für Künste Bremen auf die Einladung, mit der Sammlung von Landschaftskunstwerken des Kunstvereins Springhornhof in der Lüneburger Heide zu arbeiten. Die Corona-Pandemie veränderte alles, die Formen der physischen und sozialen Auseinandersetzung, durchdrang Planung, Umsetzung, Kommunikation und Vermittlung. Die Pandemie wurde zur Bedingung dessen, was wir „Erzwungene Verwilderung“ nennen. 

Aus den normalen, alltäglichen, gewohnten, sozialen und räumlichen Beziehungen heraus gedrängt und in den Sicherheitsbereich von Hygiene- und Abstandsregelungen getrieben zu werden, erzeugte Nebeneffekte, die durch uns hindurchwirkten. Mit wenigen Orten, an die wir gehen konnten, wanderten wir gleichzeitig in die Natur und in virtuelle Konferenzräume. In der Abwesenheit des gewohnten Alltagslebens keimte ein Zustand der Verwilderung auf.

Seit Frühjahr 2020 waren wir regelmäßig vor Ort, trafen uns im Kunstverein und okkupierten das Gastatelier. Wegen Corona durften wir nicht mehr als Gruppe auftreten, stattdessen tauchten einzelne Studierende in die Umgebung ein. Einsinken und sich vertraut machen mit den Orten wurde von der Pandemie mitgestaltet. Aufkommende Wünsche wurden durchdacht und sogar das Zelten im Winter schien eine gute Idee zu sein. Es wurde viel herumgelaufen oder fahrradgefahren und mit den Menschen der Gegend geredet, weil es so viele Dinge gab, von denen wir keine Ahnung hatten: Ortstein, Tiefpflügen, furzende Kühe oder wieder eingewanderte Wölfe. 

Bei unserer Suche nach Anknüpfungspunkten und Verbindungen waren formale skulpturale Mittel wenig hilfreich. Stattdessen konnten wir uns dem Thema mit Pilzesammeln, Verirren, nassen Füßen und schmutzigen Händen, Tinder-Wischen oder Sitzen in Bäumen nähern. Es wurde viel gegraben, vergraben, geklettert und ausgegraben. Entstanden sind 10 neue Werke in der offenen Landschaft, von monumentalen Betonskulpturen bis zur kleinen Kimchi-Hütte und weitere 12 neue Arbeiten für den Ausstellungsraum. 

Für die Präsentation im Taubenheim des Open Space zeigen wir großformatige Bilder der Landschaftskunstwerke sowie die „Non-Site“ Werke, also Arbeiten, die ihren Ausgangspunkt in der Landschaft haben, jedoch für eine Repräsentation im Ausstellungsraum entwickelt wurden: Performances, Skulpturen, Foto- und Videoarbeiten oder filigrane 3D-Drucke.

Zu sehen sind neue Landschaftskunstwerke und künstlerische Interventionen von Siman Chen, Yunna Diao, Ada Hillebrecht, Eunhye Kim, Stéphane Krust, Ruth Lübke, Quin Maclennan, Janis Mengel, Philipp Michalski, Anne Nitzpan, Minjeong Park, Laura Pientka, Paul Putzier, Ole Prietz, Martin Reichmann, Berit Riekemann, Seung Hyun Seo, Nala Tessloff, Jana Thiel, Kaori Tomita und Raphael Wutz.

Betreut wird das Projekt von Kayle Brandon, Bettina von Dziembowski, Ruth Rubers, Ingo Vetter, Olav Westphalen und Monika Zimmermann.

Silent Opening im Taubenheim des Open Space Domshof am Dienstag 20. Juli 2021 um 12:00 Uhr mit Kimchi-Brötchen Performance

Ausstellung von 20. Juli bis 24. Juli 2021, Öffnungszeiten Dienstag und Mittwoch von 12:00 bis 18:00 Uhr, Donnerstag bis Samstag von 10:00 bis 19:00 Uhr.

Forced Feral / Erzwungene Verwilderung ist ein Projekt des Kunstvereins Springhornhof e.V. und der Hochschule für Künste Bremen, gefördert durch die Stiftung Niedersachsen und den Niedersächsischen Landschaftsverband, Karin und Uwe Hollweg Stiftung, Waldemar Koch Stiftung, Fonds Innovative Lehre und Freundeskreis der Hochschule für Künste Bremen.