ZEIT DER BEGEGNUNG / BEGEGNUNG MIT DER ZEIT – Yunna Diao & Siman Chen
28. Mai 2025 - Ruth Rubers(english version below)
Wie lange dauert eine Berührung? Was bleibt davon? Und wie macht man Gegenwart sichtbar?
In ihrer gemeinsamen Arbeit „Zeit der Begegnung / Begegnung mit der Zeit“ erkunden Yunna Diao und Siman Chen die Technik des Abdrucks als künstlerische Praxis. Mit Gips nahmen sie sich selbst ab: jeweils ein einzelnes Körperteil, das auf einem Objekt aus der Landschaft ruht – ein Fuß auf einem Stein, eine Hand auf einem Baumstamm. Jeder Abdruck ist ein Zeugnis eines konkreten Moments: eines In-Kontakt-Tretens, einer Begegnung zwischen Körper und Ort.
Das Verfahren ist unspektakulär, aber komplex. Der Abdruck konserviert nicht nur eine Form, sondern auch einen Augenblick. Er zeigt nicht das, was ist, sondern das, was war. Als künstlerische Geste verweist er auf etwas Abwesendes und bringt es dennoch in die Gegenwart. Das Ergebnis ist fragil, detailreich, und manchmal fast geisterhaft. Die Skulpturen tragen Spuren von Moos, Rinde oder Erdpartikeln – und erinnern so daran, dass die Künstler:innen wirklich vor Ort waren. Sie haben sich hingesetzt, den Gips angerührt, gewartet. Der eigene Körper wurde zum Werkzeug der Spurensicherung.
Für Yunna und Siman ist diese Arbeit auch ein Dialog mit dem Ort und mit sich selbst. Beide sind aus Asien nach Deutschland gekommen, und erleben die Lüneburger Heide als eine Landschaft, in der sich Fremdheit und Vertrautheit vermischen.
„Meine Heimatstadt hat sich von einer unberührten Landschaft zu einer modernen Welt verwandelt, aber hier begegne ich meiner Heimatstadt wieder.“
– Siman Chen
„Die Einheimischen erinnern mich ständig, dass ich nicht hierher gehöre, weil sie mich immer fragen: „Woher kommst du?““
– Yunna Diao
Die Gipsreliefs, die in dieser Arbeit entstehen, sind kein Abbild, sondern ein Abdruck. Kein Versuch, etwas darzustellen, sondern ein Beweis dafür, dass etwas stattgefunden hat. Sie sind Reste, Spuren, Splitter einer übergreifenden Geste: Ich war hier. Ich habe dich berührt.
Das Projekt wurde im Rahmen von „Forced Feral / Erzwungene Verwilderung“ in der Lüneburger Heide realisiert und war sowohl im Innenraum als auch an verschiedenen Orten im Außenraum zu sehen.
TIME OF ENCOUNTER / ENCOUNTER WITH TIME
A work by Yunna Diao & Siman Chen
How long does a touch last? What remains of it? And how can the present moment be made visible?
In their collaborative work „Time of Encounter / Encounter with Time,“ Yunna Diao and Siman Chen explore the artistic potential of the imprint. Using plaster, they captured individual parts of their bodies: a foot resting on a mossy stone, a hand placed on a tree trunk. Each imprint testifies to a specific moment: a meeting between body and site.
The technique is simple but conceptually rich. The imprint preserves not only form, but also time. It doesn’t depict what is, but what was. As an artistic gesture, it refers to something absent and makes it present again. The resulting objects are fragile, detailed, sometimes ghostly. They carry traces of moss, bark, or soil – quiet evidence that the artists were truly there. They sat, mixed the plaster, waited. Their bodies became tools of documentation.
For both artists, the work is also a personal dialogue with place and identity. Both moved from Asia to Germany and experience the Lüneburg Heath as a landscape where strangeness and familiarity intertwine.
„My hometown has transformed from untouched landscape into a modern world, but here I encounter it again.“
– Siman Chen
„The locals keep reminding me that I don’t belong here, because they always ask: ‚Where are you from?'“
– Yunna Diao
These plaster reliefs are not depictions but imprints. Not representations, but evidence. They are remnants, traces, fragments of a larger gesture: I was here. I touched you.
The work was developed as part of „Forced Feral“ in the Lüneburg Heath and shown both indoors and outdoors.