VERWURZELT – Ada Hillebrecht
19. Mai 2025 - Ruth Rubers(english version below)
Am Anfang stand eine einfache Geste: Zwei Löcher graben, die Füße hineinsetzen, stehenbleiben. Nichts weiter. Kein großes Setup, kein Publikum. Nur der eigene Körper und die Erde.
Mit „verwurzelt“ lädt Ada Hillebrecht Menschen ein, sich buchstäblich in die Landschaft einzugraben – knöcheltief. Die Aktion ist unspektakulär und präzise. Sie eröffnet einen Zustand: zwischen Spiel und Ernst, zwischen Körperwahrnehmung, Zugehörigkeit und Erdanziehung. Die Arbeit entstand im Rahmen des Projekts Forced Feral / Erzwungene Verwilderung in der Lüneburger Heide – und hat sich seitdem in alle Richtungen verzweigt.
Denn bald schon begannen sich andere einzubuddeln. In Gärten, auf Feldern, in Blumentöpfen. Die Performance wurde geteilt, weitergetragen, selbstständig umgesetzt. Und mit ihr wuchsen die Erfahrungen.
„Ich bin nirgendwo fest verwurzelt. Ich bin wie eine Topfpflanze. Ich stehe heute hier herum und morgen woanders. Je nachdem, ob mir der Sinn nach Sonne oder Schatten steht. Der Platz ist begrenzt. Meine Füße passen gerade so hinein. Die Erde ist warm und weich. Wenn ich einmal tot bin, möchte ich auch zu Erde werden.“
– Jana
Es geht in diesem Projekt nicht um das Werk als Form, sondern um das, was sich einstellt: in der Person, in der Landschaft, zwischen beiden. Die Füße verschwinden. Der Blick verändert sich. Das Denken auch.
„Meine Beine sind wie zwei Baumwurzeln, die sich in meinem Oberkörper zu einem Baum zusammenfügen.“
– Siman
„Wenn die Erde meine Schuhe wären, dann würde ich mich mit ihr mitdrehen. Ich könnte einmal um die Welt – im Verwurzeltsein.“
– Ingo
„Meine Füße brauchen mehr Platz als gedacht! Das fällt einem sonst gar nicht auf. Aber unangenehm war es nicht. Die Erde ist gar nicht so kalt, wie man vermuten würde.“
– Ruth
Wie fühlt es sich an, verwurzelt zu sein?
Standfest? Eingeschränkt? Beruhigend? Kitzelnd? Die Antworten sind so unterschiedlich wie die Orte und Menschen selbst. Manche stehen alleine in der Wiese, andere eingepflanzt zwischen Blumentöpfen. Einige graben zwei Löcher, andere nur eines. Manche denken an Bäume im Wind, andere an Stehaufmännchen. Oder an den eigenen Tod.
Mit der Zeit entstand ein wachsendes Archiv aus Fotos, Notizen und Gedanken. Nicht als Ergebnis, sondern als fortlaufende Sammlung eines geteilten Versuchs: sich mit einem Ort zu verbinden. Für einen Moment – oder länger. Die Frage ist nicht, ob man verwurzelt ist, sondern wie man es erlebt. Und was das mit einem macht.
Eine Performance zum Weitergeben
„verwurzelt“ ist kein abgeschlossenes Kunstwerk. Es ist eine Einladung. Eine Anleitung für eine kleine, intime Handlung mit offenem Ausgang. Wer sich eingräbt, bringt etwas Eigenes mit – und nimmt etwas mit. Nicht selten bleibt etwas zurück. Vielleicht ein Abdruck, vielleicht eine Erinnerung, vielleicht nur ein Gedanke, der hängenbleibt.
Das Projekt stellt Fragen, ohne sie zu beantworten:
Wie ist der Blick, wenn man nicht gehen kann?
Was macht Verwurzelung mit dem Gefühl von Freiheit?
Wo hört Landschaft auf, wo fängt man selbst an?
„Ich mag diese Ambivalenz. Verwurzeltsein kann Halt geben. Es kann befreiend sein, aber auch einschränkend. Ich kann mich nicht entscheiden, ob es ein guter oder schlechter Zustand ist – und genau das interessiert mich.“
– Ada Hillebrecht
Rooted
A performance project by Ada Hillebrecht
It all began with a simple gesture: dig two holes, place your feet in them, and stand still. That’s all. No elaborate setup, no audience. Just your body and the earth.
In „Rooted“, Ada Hillebrecht invites people to literally plant themselves into the landscape – ankle-deep. The action is quiet and precise. It opens up a state: somewhere between play and seriousness, between bodily awareness, belonging, and gravity. The work was first developed as part of the project Forced Feral in the Lüneburg Heath – and has since branched out in all directions.
Soon others started digging in too. In gardens, on fields, in flowerpots. The performance began to circulate, to be re-enacted, taken up independently. And with it grew the experiences.
“I’m not rooted anywhere. I’m like a potted plant. Today I’m standing here, tomorrow somewhere else, depending on whether I prefer sun or shade. The space is limited. My feet just about fit. The earth is warm and soft. When I die, I’d like to become soil too.”
– Jana
This project isn’t about the artwork as an object, but about what arises: in the person, in the landscape, between the two. The feet disappear. The gaze shifts. Thinking shifts too.
“My legs are like two tree roots that merge into a trunk in my torso.”
– Siman
“If the earth were my shoes, I would rotate with it. I could travel once around the world – by staying rooted.”
– Ingo
“My feet need more space than I thought! You never realize that. But it wasn’t uncomfortable. The soil isn’t as cold as you’d expect.”
– Ruth
What does it feel like to be rooted?
Stable? Restrained? Calming? Ticklish? The answers are as diverse as the places and the people. Some stand alone in a meadow, others buried among flowerpots. Some dig two holes, others just one. Some think of trees in the wind, others of Weebles. Or of their own mortality.
Over time, a growing archive of photos, notes, and reflections has emerged. Not as a final product, but as an evolving collection of shared attempts to connect with a place. For a moment – or longer. The question isn’t whether one is rooted, but how it feels. And what it changes.
A performance to pass on
“Rooted” is not a finished artwork. It’s an invitation. A small, intimate instruction with an open end. Those who bury their feet bring something of their own – and take something with them. Often, something remains. Perhaps a footprint, perhaps a memory, perhaps just a thought that lingers.
The project raises questions without resolving them:
What does the world look like when you can’t move?
What does rootedness do to your sense of freedom?
Where does landscape end and you begin?
“I like that ambivalence. Rootedness can give support. It can be liberating, but also limiting. I can’t decide whether it’s a good or bad state – and that’s what makes it interesting.”
– Ada Hillebrecht